Dominik Burger, die ersten Turniere der Eventing-Saison sind vorbei. Sind die Schweizer Reiterinnen und Reiter mit ihren Pferden gut durch den Winter gekommen?
Ich denke ja. Wir haben über den Winter sehr viel gearbeitet, mit rund fünfzig Trainingstagen über alle drei Disziplinen hinweg. Nach ein paar Vorbereitungsturnieren in Italien und Deutschland gab es nun in den ersten wichtigen Events im April und Mai bereits einige vielversprechende Erfolge von neuen Paaren und nachrückenden Pferden. Dabei hat sich gezeigt: Die intensive Arbeit im Winter hat sich gelohnt!
Hat sich am Staff rund um das Elitekader etwas geändert?
Nein. Wir haben das Glück, dass wir auch in Zukunft auf den besten Staff der Welt zählen dürfen!
Mit Andrew Nicholson als Cross-Coach, Markus Fuchs und Benoit Johner als Spring-Coaches, Gilles Ngovan und punktuell Olli Oelrich als Dressur-Coachs sowie Antonia Müller als Equipentierärztin haben wir absolute Top-Leute, die unsere Reiterinnen und Reiter begleiten.
Noch am Abend der abschliessenden Springprüfung an den Olympischen Spielen von Paris haben wir uns den Handschlag gegeben und uns gesagt: nach Paris ist vor Los Angeles!
Also lautet die Devise: «Weitermachen wie bisher»?
Wir wollen uns immer weiter verbessern! Vieles hat sich in den vergangenen Jahren bewährt und daran halten wir fest. Aber wir wollen und müssen auch innovativ sein und Neues ausprobieren, um weiterzukommen.
So haben wir beispielsweise diese Saison persönliche Eventing-Chatrooms für das Elitekader eingeführt: Für jede einzelne Reiterin und jeden einzelnen Reiter haben wir eine WhatsApp-Gruppe geschaffen, in der sich die Reiterin bzw. der Reiter gleichzeitig mit Andrew, Markus, Benoit, Gilles, Oli, Antonia und mir austauschen kann. Es können dort Fragen gestellt oder Videos geteilt werden, die dann von allen angeschaut und kommentiert werden. So ergibt sich ein direkter und interdisziplinärer, aber gleichzeitig auch individueller und vertraulicher Austausch mit dem ganzen Staff. Dieses neue Angebot wird von vielen Reiterinnen und Reitern rege genutzt.
Eine weitere Neuerung zum Beispiel entstand vor dem Hintergrund, dass wir uns im Springen unter Wettkampfbedingungen steigern wollen und müssen. So werden in einem neuen Projekt Markus Fuchs und Benoit Johner an fünf grossen Springturnieren in der Schweiz für die Eventing-Reiterinnen und -Reiter zur Verfügung stehen, um sie vor Ort zu coachen. So können die Feedbacks von Markus und Benoit nach der ersten Prüfung direkt in der zweiten Prüfung umgesetzt werden. Der Lerneffekt ist so natürlich viel grösser, als wenn wir nur das Abschlussspringen einer Vielseitigkeitsprüfung analysieren! Die Pferdesporttage in Uster Anfang Mai waren unser Pilot-Concours und die ersten Erfahrungen sind sehr positiv.
Nachdem das Eventing-Team aus Belgien aufgrund eines Medikations-Befunds nachträglich disqualifiziert wurde, steht nun fest, dass die Schweiz an den Olympischen Spielen von Paris 2024 den vierten Rang erreicht hat. Da sind die Erwartungen an die kommende Saison wohl entsprechend hoch. Welche Ziele habt ihr euch für 2025 gesetzt?
Was das Schweizer Eventing-Team in Paris an den Olympischen Spielen geleistet hat, war grossartig. Damit ging aber auch gewissermassen eine Ära zu Ende. Drei der vier Pferde, die im Schlossgarten von Versailles am Start waren, sind schon älter und werden künftig kürzertreten. Somit steht die Saison 2025 für uns klar im Zeichen der Aufbauarbeit von neuen Paaren und nachrückenden Pferden. Die Ziele sind somit längerfristig angesetzt.
So gehen wir die Saison zwar fokussiert an, und die Europameisterschaft in Blenheim (GBR) ist auf jeden Fall ein Highlight – darauf werden wir hinarbeiten. Es kann aber durchaus sein, dass wir dort noch nicht an unsere Erfolge der letzten Jahre anknüpfen können, da die neuen Paare vielleicht noch nicht ganz so weit sind. Auch andere Turniere wie zum Beispiel in Avenches, Luhmühlen (GER), Aachen (GER) oder Boekelo (NED) sind individuell unterschiedlich wichtige Etappen der Saison. Es geht dabei in erster Linie darum, mit neuen Pferden und Paaren Erfahrung auf höchstem Niveau zu sammeln und im Idealfall schon die notwendigen MER-Resultate zu erreiten, das heisst Resultate, die zur Teilnahme an den internationalen Championaten berechtigen.
Das nächste wirklich grosse Ziel, auf das wir hinarbeiten, ist somit vor allem die Weltmeisterschaft 2026 in Aachen (GER). Dort werden die ersten Tickets für die Olympischen Spiele von Los Angeles 2028 vergeben – und in LA28 wollen wir auf jeden Fall dabei sein und an der Spitze ein Wörtchen mitreden.
Dass Du heute so selbstverständlich von Olympia-Zielen eines Schweizer Eventing-Teams sprichst, hätte dir vor 10 Jahren wohl keiner geglaubt. Was ist Dein Erfolgsrezept? Wie hast Du diese Disziplin, die in der jüngeren Vergangenheit an Bedeutung verloren hatte in der Schweiz, in so kurzer Zeit wieder ins internationale Rampenlicht gebracht?
Diese Entwicklung ist nicht allein mein Verdienst. Das alles wäre nicht möglich, wenn wir nicht ein so grossartiges Team und Umfeld hätten, das sich für den Schweizer Eventing-Sport engagiert. Unser «Erfolgskonzept» gründet auf drei Säulen:
Erstens haben wir eine klare Vision, wohin wir wollen und was wir erreichen möchten. Neben Resultaten gehört dabei auch der Spass zum Erfolg. Aus der Vision leitet sich eine Strategie ab. Man lacht deswegen zuweilen etwas über mich, aber sie ist sehr wichtig, weil sie massgebend ist für die Konzepte und Planungen. Diese können und müssen manchmal etwas geändert werden, womit die Flexibilität gewährleistet ist. Aber die wichtige Konstanz ist dabei immer gegeben.
Zum Zweiten müssen hierfür die richtigen Player ausgewählt werde. Wie bereits erwähnt, konnten wir einen Top-Staff gewinnen. Die Staff-Mitglieder respektieren und unterstützen sich gegenseitig, und sie arbeiten mit einer «Ligne d’unité», was ebenfalls von grosser Wichtigkeit ist.
Als Drittes konnten wir in den letzten Jahren eine Art «Kultur» schaffen, die für alle Beteiligten motivierend ist und Konstanz und Klarheit schafft. «Swiss Eventing» ist ein Begriff geworden – auch im Ausland schaut man nun auf die «red devils», die heutzutage das rote Poloshirt mit Stolz tragen dürfen. Für den Verband ist die Devise dabei «fördern und fordern». Wir stellen in diesem Rahmen möglichst optimale Rahmenbedingungen zur Verfügung, machen Angebote wie zum Beispiel die Trainings, die Turnierbegleitung oder die Chatrooms, die ich vorhin erwähnte. Auf der anderen Seite ist es unglaublich, wie viel unsere Reiterinnen und Reitern arbeiten und was sie leisten, um die Extrameilen zu gehen. Und zu diesem grossen Mindset und dem riesigen Committment gehören auch die Grooms, das Umfeld und nicht zuletzt die motivierten Besitzerinnen und Besitzer, die in die Reiterinnen und Reiter und damit auch in das Schweizer Team investieren! Ihnen gebührt an dieser Stelle ein grosser Dank!
Wie ist es in diesem Rahmen um den Nachwuchs im Schweizer Eventing-Sport bestellt?
Wir haben im Schweizer Eventing-Sport heute nur eine Handvoll professionell aufgestellter Reiterinnen und Reiter, die international wirklich mitreden können. Da müssen wir unbedingt breiter werden und neue Paare gezielt an den Spitzensport heranführen.
Die Nachwuchs-Arbeit ist dabei von grösster Wichtigkeit. Viele unserer Elite-Reiterinnen und -Reiter sind über die Nachwuchsförderung des Verbands bis in die Elite gekommen oder sind von klein an in einem familiären und/oder professionellen Rahmen gefördert worden. Der Eventing-Sport mit seinen drei Disziplinen ist aufwändig. Da muss man von Anfang an fokussiert sein und seine Ressourcen gezielt einsetzen. Dafür geht unser grosser Dank an die Eltern!
Unsere Nachwuchsverantwortliche Claudia Dietrich arbeitet in diesem Rahmen mit grossem Engagement. Wir versuchen unter anderem, das Knowhow, das in unserem Elite-Kader vorhanden ist, weiterzugeben. Die jungen Elite-Reiter Nadja Minder und Robin Godel sind zum Beispiel ebenfalls als Trainer für den Nachwuchs engagiert, damit auch die neue Reitergeneration vom Erlernten und dem Wissen der Schülerinnen und Schüler von Andrew Nicholson und anderen profitieren kann.
Neben den unter anderem initialisierten Futureclass-Trainings und der Groupe Espoir ist dabei auch das neue Förderprogramm von Swiss Equestrian Talents ein wichtiges Gefäss und eine grossartige Chance. Insbesondere die Top Talents mit ihrem intensiven Ausbildungsprogramm, das über das Reiterliche hinausgeht, haben in den letzten Monaten grosse Entwicklungsschritte durchgemacht und sind auf jeden Fall ein Versprechen für die Zukunft.
Wir sind also schon weit gekommen, aber wir müssen dranbleiben! Wir kennen die Punkte, an denen wir ansetzen müssen, um die Disziplin gezielt weiterzubringen. Das erfordert grosses Engagement von allen Beteiligten. Danke allen! Ich freue mich auf die Zukunft mit Swiss Eventing!