«Springreiten im Spitzensport ist kein Sonntagsspaziergang»

Thomas Fuchs ist eine Legende des Schweizer und internationalen Springsports. Als Reiter gewann er mit der Schweizer Equipe zahlreiche Medaillen an Welt- und Europameisterschaften, war rund hundert Mal für ein Nationenpreis-Team nominiert und errang drei Mal den Schweizermeister-Titel. 2014 übernahm er das Amt des Nationaltrainers der Schweizer Springreit-Elite und erlebte erneut viele grosse Erfolge. Nun tritt er von seinem Amt zurück. In Zukunft wird die Schweizer Springreit-Elite ohne direkt benannten Nationaltrainer agieren. Am Rande des CSIO Avenches spricht Thomas Fuchs im Interview über die Entwicklung des internationalen Springsports und die Erfolgsfaktoren, die den Unterschied machen.

Thomas Fuchs am CSIO Avenches 2025 | © Photo Bujard

Er kennt den internationalen Springsport wie kaum ein anderer, und er war als Reiter und als Trainer gleichermassen hoch erfolgreich. Zwischen seiner ersten Championatsmedaille als Reiter (Europameisterschafts-Silber im Team in München 1981) und seiner letzten Championatsmedaille als Nationaltrainer (Olympia-Silber von Steve Guerdat in Paris 2024) liegen 43 Jahre.

Thomas Fuchs, wie hat sich der Springsport in den letzten 40 Jahren verändert?

Es hat sich alles verändert: die Qualität der Pferde, die Qualität der Reiter, die Qualität der Turniere. Das ist nicht mehr vergleichbar – es ist im Grunde ein anderer Sport.

Beginnen wir mit den Pferden. Du bist ja nicht nur Trainer, sondern handelst auch erfolgreich mit Pferden. Was macht heute ein Erfolgspferd aus?

Heute suchen wir vor allem vorsichtige Springpferde. Das hat mit dem veränderten Parcoursbau zu tun – heute ist alles technischer, die Distanzen schwieriger. Wir brauchen also feinere, wendigere Pferde als vor 40 Jahren. Ich würde sagen, heute ist bei den Springpferden die Vorsicht wichtiger als das Vermögen. Das bedeutet aber auch, dass wir bessere Reiter brauchen. Denn diese vorsichtigen Pferde sind sehr sensibel. Wenn sie einmal in einen Sprung krachen, ist «das Herz weg», wie wir sagen. Diese Pferde verzeihen solche Zwischenfälle nicht. Ist das Vertrauen einmal verloren, muss man es vorsichtig wieder aufbauen und oft ist das Pferd danach nicht mehr so mutig wie davor.

Du hast den Parcoursbau angesprochen und wie er sich verändert hat. Wie ist es mit den Turnieren im Allgemeinen?

Die internationalen Turniere sind heute eindeutig grösser und besser. Schon auf 3-Sterne-Niveau findet man absolute Top-Bedingungen. Die Plätze sind besser, die Ausschreibungen sind vielfältiger. Aber das alles hat natürlich seinen Preis, was sich in den Nenngeldern widerspiegelt. Ich würde sagen, früher waren die Preisgelder zwar tiefer, aber unter dem Strich gingen wohl mehr Reiter ohne finanziellen Verlust nach Hause als heute. 
Trotzdem ist es toll, wenn wir so fantastische Turniere wie den neuen CSIO Avenches oder die traditionellen Top-Turniere wie St. Gallen, Basel, Genf, Ascona und all die anderen in der Schweiz haben. Was diese Organisationskomitees für den internationalen Springsport und die Schweiz als Pferdeland leisten, ist unersetzlich. Das müssen sich die Reiter auch bewusst sein.

Sprechen wir von den Reitern. Du sagtest, die Qualität der Reiter hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert. Was meinst du damit?

Wir haben heute sicher bessere Trainer, die aus noch mehr Talenten Top-Reiter machen können. Was mir hingegen bei den heutigen jungen Reitern manchmal fehlt, ist der Biss. Und das Argument, dass man ohne Geld nicht an die Weltspitze kommt, lasse ich auch nicht gelten. Wenn ein junges Talent wirklich angefressen ist von diesem Sport und auch bereit ist, die Ärmel im Stall hochzukrempeln und anzupacken, wird er bei einem Trainer oder einem etablierten Reiter eine Anstellung finden und so die Möglichkeit erhalten, auch mal hochwertige Pferde zu reiten und sich einen Namen zu machen. Aber dieses Feuer muss man mitbringen. Springreiten im Spitzensport ist kein Sonntagsspaziergang.

Wie sieht es denn aus mit dem reiterlichen Nachwuchs in der Schweiz?

Der CSIO in Avenches hier ist ein sehr gutes Schaufenster für die Schweizer Nachwuchsreiter und was wir hier sehen, ist sehr positiv. Klar: ein 4-Sterne-Grand-Prix ist kein 5-Sterne-Nationenpreis. Aber es gibt junge Reiter, die den Biss, das Feuer und die fundierte Grundausbildung haben, die es für den Weltklasse-Spitzensport braucht.
Genau diese solide Grundausbildung ist aber immer schwieriger zu finden. Es gibt nicht mehr viele Reitschulen mit guten Ausbildern, wo Kinder und Jugendliche eine wirklich solide Basis für gutes Reiten vermittelt bekommen. Diese Reitschulen sind unglaublich wichtig. Auch mein Sohn Martin hat das Reiten als kleiner Junge in der örtlichen Reitschule gelernt. Ich wäre viel zu streng gewesen (lacht). Dort wurde motiviert, gefördert und gefordert, wie er es in diesem Alter brauchte. Früher kamen 80% der Junioren aus der Deutschschweiz, 20% aus der Westschweiz. Heute ist die Tendenz wohl eher umgekehrt. Meiner Meinung nach hat dies viel damit zu tun, dass die Reitschul-Landschaft in der Deutschschweiz und der Westschweiz sehr unterschiedlich ist. Und natürlich: Auch in den Reitschulen müssen die Pferde gut ausgebildet sein, damit die Reitschüler wirklich lernen können. Darauf wird heute auch eher weniger Wert gelegt, denke ich.

Stichwort Ausbildung: Du hast unzählige Erfolgspferde hervorgebracht. Was ist das Geheimnis deines Trainings?

Unsere Pferde sind viel an der frischen Luft und werden viel bewegt. Das bedeutet nicht, dass das Training wahnsinnig hart ist – aber es ist lange. Wir machen lange Ausritte im Schritt oder einen Bergtrab. Wir trainieren auch auf unebenem und hartem Boden. Die Pferde sollen Wiesen hoch und runter galoppieren und auch mal einen kleinen Natursprung springen. Das macht die Pferde ausdauernd und hart, und die Abwechslung ist auch für den Kopf gut. So bleiben die Pferde motiviert. 
Unsere Spitzenpferde springen zu Hause weniger als man vielleicht denken mag. Wenn die Pferde mal 8 oder 9 Jahre alt sind, müssen sie nicht mehr hoch springen zu Hause. Aber Gymnastik und Dressur sind wichtig, damit sie geschmeidig und gesund bleiben.
Unsere Pferde gehen auch alle auf die Weide oder auf den Paddock, ganz ohne Bandagen, Gamaschen oder Glocken. 
Pferde sind und bleiben Pferde – und das muss man im Rahmen unserer Möglichkeiten berücksichtigen. Frische Luft und viel Bewegung sind da entscheidend.

Pferde sind und bleiben Pferde – du bist und bleibst ein Pferdemensch. Werden wir dich weiterhin auf den Turnierplätzen dieser Welt sehen, auch wenn du nicht mehr Nationaltrainer der Schweizer Springreit-Elite bist?

Ja natürlich! Ich werde sicher weniger reisen, damit ich mehr Zeit für die Familie, die Enkelkinder habe. Ich begleite nach wie vor den einen oder anderen Reiter und halte Ausschau nach guten Pferden. Mit meinem Sohn Martin und mit Steve Guerdat bin ich sowieso weiterhin in engem Kontakt. Die Pferde sind mein Leben, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Ich werde einen Gang zurückschalten, und das ist gut so.