«Der Vierspänner ist die Königsklasse im Fahrsport»

Yannik Scherrer und sein Pony-Vierspänner fallen auf, wann immer sie auftauchen. Die kleinen, flinken Vierbeiner sind jedoch nicht nur «herzig», sondern richtige Sportskanonen. Seit vielen Jahren ist Yannik Scherrer hoch erfolgreich im internationalen Fahrsport unterwegs und wird die Schweiz an der Weltmeisterschaft der Pony-Fahrer vom 17. bis 21. September 2025 im französischen Le Pin-au-Haras vertreten. Die Erwartungen an den amtierenden Vize-Weltmeister sind hoch. Im Interview liefert er spannende Einblicke in seinen Trainingsalltag, die Reisevorbereitungen und seine Medaillenhoffnungen.

Yannik Scherrer und sein Pony-Vierspänner | © zVg

Yannik Scherrer, wie bist du zum Fahrsport gekommen und weshalb die Ponys und der Vierspänner?

Schon mein Vater ist Zweispänner gefahren und war zweimal an Weltmeisterschaften im Team. Da wollten mein Bruder Cédric und ich natürlich auch die Leinen in die Hände nehmen, sodass bald schon Shetlandponys zum Fahren bei uns im Stall standen. Die Begeisterung für diesen Sport ist bei meinem Bruder und mir geblieben. Zunächst war es bei mir der Zweispänner. Der Vierspänner ist die Königsklasse im Fahrsport und hat mich immer fasziniert. Ich wusste, ich wollte das irgendwann auch machen. Dass ich bei den Ponys geblieben bin, hat vor allem damit zu tun, dass die Qualität der Ponys immer besser wurde. Sie laufen dieselben Strecken wie die Pferde, erbringen also eine unheimliche Leistung für ihre Grösse. Das begeistert mich. Aus praktischer und finanzieller Sicht sind Ponys natürlich auch noch ein bisschen «handlicher» als Pferde, was im Alltag und auf dem Turnier durchaus Vorteile hat.

Dein Vierspänner ist auch rein optisch eine Augenweide. Welche Ponyrasse bevorzugst du und weshalb? Wo findest du geeignete Ponys?

Meine Ponys sind alle Welsh A. Sie sind zäh und robust und für den Fahrsport prädestiniert. Ich habe sie von Züchtern in Deutschland, den Niederlanden oder Grossbritannien. Die Ponys, die ich an die Weltmeisterschaft mitnehme, haben ein Stockmass zwischen etwa 115 bis 125 cm.

Das ist nicht sehr gross und die höhere Ausbildung unter dem Reiter eher schwierig. Wie trainierst du mit deinen Ponys?

Ja, das ist richtig – meine Ponys sind zwar alle angeritten, werden jedoch nur in seltenen Fällen von einer zierlichen Reiterin geritten. Das bedeutet in der Ausbildung einen gewissen Mehraufwand gegenüber einem Pony oder Pferd, das auch unter dem Sattel weiter ausgebildet werden kann. 
Ich arbeite sehr viel an der Longe und Doppellonge mit den Ponys. Auch das Training an einem leichten Einspänner ist sehr wichtig, insbesondere für die Dressurarbeit – das Geraderichten, die Losgelassenheit usw.  
Ich habe sieben «turnierbereite» Ponys im Stall, davon zwei junge im Aufbau. Das bedeutet ein sehr zeitintensives Training neben meiner Vollzeitanstellung, die ich brauche, um meinen Sport zu finanzieren. Glücklicherweise kann ich auf die grosse Unterstützung meiner Frau und des gesamten Teams zählen. Aber es ist schon so: das Training ist durchgetaktet und findet abends nach Feierabend zwischen 17.30 und 22.00 Uhr statt. 
Grundsätzlich werden bei mir alle Ponys zweispännig eingefahren und schliesslich am Ein- und Zweispänner weiter ausgebildet. Erst dann kommen sie in den Vierspänner und müssen dort ihre Position finden.

Nach welchen Kriterien wählst du aus, welches Pony an welcher Position im Vierspänner eingesetzt wird?

Ich lege grossen Wert darauf, dass alle Ponys an jeder Position laufen können. Deshalb sind die Grundausbildung und das Training am Einspänner und am Zweispänner auch so wichtig. Im Einspänner kann ich sie gut gymnastizieren und geraderichten, im Zweispänner kommt die Arbeit an der Regelmässigkeit und dem Gelichmass der Gänge im Gespann hinzu. 
Im Vierspänner sind hinten die «Arbeiter»: Sie brauchen vor allem viel Herz zum Ziehen. Vorne sind die Ponys, die selbständig, unerschrocken, schnell und flink sind – sie müssen von sich aus viel Vorwärtsdrang mitbringen, um anzuziehen, sobald der Weg vor ihnen frei wird, beispielsweise im Marathon. 
Welche Position für welches Pony ideal ist, muss man einfach ausprobieren. Das beste Gespann habe ich dann, wenn allen Ponys an ihrer Position wohl sind. Die Position kann sich aber im Laufe der Zeit auch ändern. Nehmen wir zum Beispiel mein Pony Gogo, den ich bereits seit zwölf Jahren im Gespann habe. Er lief seit ich denken kann hinten links. Dann hatte ich vorne im Gespann ein Problem – ein junges Pony, das an dieser Position nicht so kompromisslos das Zepter übernommen hat. Also habe ich Gogo vorne ausprobiert und den jungen Promiss hinten eingespannt. Das funktionierte wunderbar! Manchmal braucht es einfach ein bisschen Mut, ein eingespieltes Gespann zu verändern. 
Gogo ist übrigens der einzige Schimmel in meinem Gespann an der Weltmeisterschaft in Le Pin-au-Haras – so kann man als Zuschauer gut sehen, an welcher Position er eingesetzt wird.

Erzähl uns mehr über die Ponys, mit denen du an nach Le Pin an die Weltmeisterschaft reist!

Wie gesagt ist Gogo der einzige Schimmel, und mit seinen 18 Jahren ist der Wallach das erfahrenste Pony im Gespann. Er stammt ursprünglich aus Grossbritannien. Holstuds Carthago ist ein 17-jähriger, in den Niederlanden gezogener Fuchs-Wallach. Auch Ramonshof Trimph ist bereits 17-jährig, ein in Deutschland gezogener Fuchs-Wallach. Lustoord Dave ist ebenfalls ein Fuchs-Wallach und zwar aus den Niederlanden. Mit seinen 8 Jahren ist er der Youngster im Gespann. Und dann ist da noch Promiss, den ich bereits erwähnt habe. Der Fuchs-Wallach ist 14 Jahre alt und stammt ebenfalls aus den Niederlanden. 
Diese fünf sind meine besten Ponys – trotz ihres teilweise eher hohen Alters. Ich habe auch sehr gute junge Ponys, aber die «alte Garde» ist so fit und gesund, dass sie noch nicht von den jungen abgelöst werden.

Fünf Ponys hast du also schon mal im Reisegepäck für die Weltmeisterschaft. Was kommt da noch dazu?

Das ist schon eine ganze Menge: vier Dressur-Geschirre mit Leinen, vier Marathon-Geschirre mit Leinen, zwei Spezial-Leinen für das Kegelfahren, zwei Vierspänner-Wagen sowie ein Einspänner und ein Zweispänner mit Geschirr fürs Training. 
Hinzu kommen zwölf Heuballen, denn ich füttere meinen Ponys sehr viel und sehr gutes Heu – das ist mir extrem wichtig. Kraftfutter brauchen sie nur ganz wenig. 
Wir reisen mit einem Lastwagen – einem umgebauten Reisecar – und einem Anhänger nach Le Pin-au-Haras. Der ganze Fahrzeugzug ist etwa 19 Meter lang.

Das klingt enorm aufwändig. Wie gross ist dein Team, um das alles zu managen?

In unserem Team sind wir immer fünf oder sechs Leute, die alle für die Weltmeisterschaft Ferien genommen haben. Meine Frau Sara begleitet mich und Sandra, die seit 15 Jahren mit mir an die Turniere reist – beide sind eine enorme Stütze. Ausserdem haben wir drei Grooms dabei, die mit den Ponys und allem drum herum helfen. Das ganze Team hat immer alle Hände voll zu tun. 
Am Turnier kümmert sich hauptsächlich das Team um die Vorbereitungen. So kann ich mich vor der Prüfung eine halbe Stunde zurückziehen, um mich mental auf die Aufgabe vorzubereiten. Eine Fahrprüfung braucht viel Fingerfertigkeit, man muss insbesondere im Vierspänner viele Leinen im richtigen Moment und sehr schnell «bedienen». Natürlich erfordert der Sport auch eine gewisse Fitness, vor allem im Marathon. Nicht zu unterschätzen ist aber vor allem die mentale Komponente. Gerade im Vierspänner muss man einen klaren Plan im Kopf haben und zu jedem Zeitpunkt haargenau wissen, was kommt und wie man reagieren muss.

Was ist dein persönliches Ziel an der WM?

Ich will das Optimum aus uns herausholen. Wenn alles gut läuft, reicht es im Einzel für eine Medaille – vielleicht sogar für Gold. 
2019 gab es Bronze im Einzel und im Team, 2021 Silber im Einzel und im Team, 2023 erneut Silber im Einzel und im Team. Die Erwartungen an uns sind entsprechend hoch. Wir sind ein super Team, wenn auch die Medaille im Team dieses Jahr eine Herausforderung wird. Wir haben gute Einspänner, obwohl mein Bruder als Weltmeister von 2023 und 2021 fehlt. 
Wir werden alle unser Bestes geben und werden nicht zuletzt auch von tollen Fans aus der Schweiz begleitet, die uns vor Ort anfeuern und mit uns mitfiebern. Ich freue mich auf die Weltmeisterschaft!

Die Schweizer Delegation

Einspänner

  • Linus Berther, Nussbaumen (TG), mit Donna Clara
  • Vera Bütikofer, Guntershausen b. Aadorf (TG), mit MC Queen

Zweispänner

  • Christof König, Unterstammheim (TG), mit Higgins III und High Five

Vierspänner

  • Yannik Scherrer, Weinfelden (TG), mit Gogo, Hostuds Carthago, Promiss, Ramonshof Triumph, Ramonshof Trouble und Lustoord Dave

Einzelfahrerin

  • Daniela Schneider, Rietheim (AG), mit Clara

Für die Teamwertung zählt das jeweils beste Ergebnis pro Kategorie, also jeweils der beste Einspänner, Zweispänner und Vierspänner aus den im Voraus bezeichneten Teamfahrern. Über die finale Zusammensetzung des Teams wird spätestens nach dem Vet Check anlässlich der Weltmeisterschaft entschieden.

Die Delegation wird von Marjorie Magnin als Equipenchefin und Muriel Federici als Veterinärin begleitet und betreut.