Ruth Haas hat den Kopf oft über den Wolken und trotzdem festen Boden unter den Füssen. Denn im «echten Leben» ist sie seit vielen Jahren mit Begeisterung und Leidenschaft Flugbegleiterin bei SWISS International Airlines. Dasselbe lässt sich auch über sie und ihre Arbeit als Equipenchefin der Schweizer Dressur-Elite sagen: Sie hat Träume und Visionen, aber immer auch pragmatische und effiziente Lösungen in organisatorischen Belangen. An der Europameisterschaft in Crozet begleitet und betreut sie das Schweizer Team mit Delia Eggenberger mit Santa Maria (Besitzerin: Isabelle Ros), Charlotte Lenherr mit Dettori (Besitzer: Carolin van Mourik und Rob van Ruitenbeck), Jessica Neuhauser mit Rockson (Besitzerin: Hildegard M. Riedmaier), Charlotta Rogerson mit Bonheur de la Vie (Besitzer: Charlotta und James Rogerson) und Reservereiterin Andrina Suter mit Del Curto (Besitzer: Eva Senn-Widmer, Monika Kläger und Pius Weber).
Ruth Haas, wie bist du zu deiner Funktion als Equipenchefin der Schweizer Dressur-Elite gekommen?
Ich bin eher überraschend in diese Rolle hineingerutscht. Ich komme ursprünglich aus dem Springsport und hätte diese Aufgabe von mir aus nie in Betracht gezogen. Schliesslich habe ich mir gedacht, ich habe als Mutter von drei Kindern, die in ihrer Jugend in der Handball-Nati spielten, schon aus verschiedenen Perspektiven viel gesehen und erlebt im Sport – also warum nicht der Dressursport! Heute bin ich sehr dankbar für diese Chance. Es ist eine Herausforderung und sie bereitet mir grosse Freude. Ich muss manchmal aus meiner Komfortzone heraus und entwickle mich weiter – dies erwarten wir auch von unseren Reiterinnen.
Was sind deine Aufgaben als Equipenchefin?
Der Aufgabenbereich ist sehr vielfältig. Gemeinsam mit unserem Nationaltrainer Oliver Oelrich plane ich die Kadertrainings, organisiere Weiterbildungen und bin Mitglied des Technischen Komitees und der Selektionskommission der Disziplin Dressur. Ich bin im engen Austausch mit den Reiterinnen. Dabei habe ich nicht nur die aktuelle Saison im Blick, sondern plane über mehrere Jahre hinweg – aktuell von den Weltreiterspielen in Aachen 2026 bis zu den Olympischen Spielen in Los Angeles 2028.
An einem Championat wie den Europameisterschaften von Crozet sorge ich dafür, dass die Reiterinnen alle administrativen Auflagen erledigen und keine wichtigen Termine verpassen – schon im Vorfeld, aber auch während dem Turnier. Ich nehme an den sogenannten Chef d’Equpie Meetings teil, an denen die Veranstalter jeweils die aktuellen Informationen kommunizieren. Diese leite ich dann an das Team weiter.
Ich arbeite eng mit Oliver Oelrich zusammen und wir ergänzen uns gut. Er ist für die fachlichen Fragen der Spezialist, ich für die administrativen. Dank seiner positiven und lösungsorientierten Art ist diese Zusammenarbeit sehr angenehm. Auch mit dem Equipentierarzt Christoph Kühnle ist der Austausch immer sehr offen und gut, was ich sehr schätze.
Zu meinen Aufgaben gehört auch der Kontakt zum Umfeld der Reiterinnen, beispielsweise den Pferdebesitzerinnen und -besitzern. Das sind tolle Menschen, die sich mit viel Begeisterung für den Schweizer Dressursport engagieren und diesen fördern.
Was mich besonders motiviert, ist zu sehen, wie sich unsere Reiterinnen persönlich und sportlich weiterentwickeln. Sie auf diesem Weg zu begleiten und zu unterstützen, ist das Schönste an meiner Aufgabe. Es geht nicht nur darum, Plaketten zu sammeln, sondern darum, sich in einer positiven Atmosphäre auf gesundem, «nahrhaftem» Boden zu entfalten und zu wachsen. Wir kommen weg von der «Keine Fehler machen»-Kultur. Vielmehr akzeptieren wir Fehler und arbeiten an unserer Entwicklung. Wir wollen schönes harmonisches Reiten zeigen und Athletinnen am Start sehen, die in sich ruhen, eine Einheit mit ihrem Pferd bilden und im Viereck doch frech nach vorne gehen.
Ich investiere viel Herzblut und Zeit in diese Aufgabe – und am Ende will ich auch Erfolg haben.
Hilft dir deine Berufserfahrung als Flugbegleiterin für deine Arbeit als Equipenchefin?
Meine langjährige Erfahrung als Flugbegleiterin bei SWISS International Airlines hilft mir auf jeden Fall: Ich betreue die First-Class-Passagiere und habe ein gutes Gespür für Menschen entwickelt – unsere Pferdebesitzerinnen und -besitzer sehe ich ähnlich. Gemeinsam mit Reiterinnen, Trainern, Grooms und unserem Nationaltrainer sind wir wie eine Crew im Flugzeug, in der jedes einzelne Mitglied wichtig ist – ob sichtbar im Rampenlicht oder still im Hintergrund. Genau dieses Zusammenspiel erfolgreich zu koordinieren und zu begleiten, ist für mich die schönste Aufgabe als Equipenchefin.
Du reist mit einem spannenden Team an die Europameisterschaft in Crozet. Wie beurteilst du die einzelnen Paare?
Es ist wirklich ein tolles Team, das wir in der Selektionskommission für dieses Championat zusammenstellen konnten. Es sind alles Paare, die in diesen Kombinationen noch nie an einem Championat teilgenommen haben, aber in der jüngsten Vergangenheit mit guten Leistungen auf sich aufmerksam gemacht haben.
Delia Eggenberger und Santa Maria entwickeln sich mit jeder Prüfung weiter. Bereits im Winter konnten sie an den German Masters in Stuttgart (GER) ein erstes Ausrufezeichen setzen, gefolgt von einer gelungenen Vorstellung am CDIO4* in Lier (BEL). Ihre feine, stetige Entwicklung und die harmonische Verbindung zwischen Pferd und Reiterin haben sich deutlich gezeigt – und lassen mit Blick auf die Zukunft viel erwarten.
Charlotte «Tiggy» Lenherr und Dettori haben in dieser Saison als Paar spürbar zueinandergefunden. Der charakterstarke Hengst vertraut seiner Reiterin zunehmend, was sich in ausdrucksstarken, harmonischen Vorstellungen widerspiegelt. Mit dem hervorragenden 3. Rang im Grand Prix Spezial am CDI4* in Wiesbaden (GER) und einem weiteren 3. Rang in der Freestyle Tour am CDI4* in Dielsdorf (SUI) unterstreicht das Paar die positive Formkurve.
Jessica Neuhauser und Rockson wussten bereits beim Weltcupfinal in Basel im Frühjahr zu überzeugen. Die konstante Entwicklung wurde mit einem Doppelsieg beim CDI4* in Wiesbaden (GER) bestätigt – sowie einem hervorragenden 4. Platz im Freestyle in der stark besetzten 4*-Tour am CHIO Aachen (GER). Ein Paar, das mit seiner Klasse zu beeindrucken weiss.
Charlotta «Kiki» Rogerson und Bonheur de la Vie gelten als die Shooting Stars dieser Saison. In kurzer Zeit haben sie sportlich stark auf sich aufmerksam gemacht – mit einem Sieg am CDI3* in München (GER), einem Podestplatz beim CDI4* in Achleiten (AUT) und einem ausgezeichneten 2. Platz im Grand Prix des CDI4* in Dielsdorf (SUI). Die Reise geht vielversprechend weiter.
Als Reservereiterin wurde Andrina Suter mit Del Curto ins Team berufen. Nach den hervorragenden Resultaten in der Nürnberger Burgpokal-Serie konnte das Paar auch auf Grand-Prix-Niveau Fuss fassen – zuletzt mit einem überzeugenden 5. Rang im Grand Prix des CDI4* in Dielsdorf (SUI). Ihre Entwicklung zeigt klar nach oben, und als Reserve stellen sie eine wichtige und verlässliche Stütze für das Team dar.
Was sind eure Ziele für die Europameisterschaft?
Wir reisen mit Paaren nach Crozet, die noch weiter zusammenwachsen und Erfahrung sammeln müssen. Somit ist das Ziel, dass jedes Paar ein «Personal Best» reitet und an der Aufgabe erstarkt. Sie sollen mutig reiten und Vertrauen und Sicherheit gewinnen – dann wird sich der Erfolg von selbst einstellen. Wir sind ein tolles Team und freuen uns alle sehr auf die Europameisterschaft!
Programm der Europameisterschaft der Dressur-Elite in Crozet:
| Mittwoch, 27.08.2025 10.00-16.30 Uhr | Grand Prix Teil 1 | |
| Donnerstag, 28.08.2025 10.00-16.30 Uhr | Grand Prix Teil 2 | Medaillen Team Für die Team-Wertung sind vier Paare pro Nation im Grand Prix startberechtigt. Das Starterfeld wird auf zwei Tage aufgeteilt. Die besten drei Resultate pro Nation gehen in die Wertung ein. |
| Freitag, 29.08.2025 10.00-17.30 Uhr | Grand Prix Spezial | Medaillen Einzel Startberechtigt sind die besten 30 Paare des Grand Prix. Pro Nation können bis zu vier Paare antreten. |
| Samstag, 30.08.2025 | Ruhetag | |
| Sonntag, 31.08.2025 11.30-16.00 Uhr | Grand Prix Kür | Medaillen Kür Startberechtigt sind die besten 18 Paare des Grand Prix Spezial, jedoch maximal drei Paare pro Nation. |