Vreni Büchi, kannst Du Dich an Deinen allerersten Einsatz als Helferin am Longines CSIO St. Gallen erinnern?
Angefangen hat alles schon früh in meiner Kindheit, anfangs der 1960er Jahre. Damals hiess das Turnier noch «Internationale Pferdesporttage». Mein Vater besass eine Metzgerei und war als Kavalleriekommandant – der Vorgänger von Paul Weier – mit den Pferden und dem Pferdesport verbunden. Er war für die Verpflegung an den Pferdesporttagen zuständig. Zudem war der damalige OK-Präsident, Zabi Widmer, ein Freund der Familie. Es war gar keine Frage. Die Pferdesporttage gehörten einfach zum Familienleben dazu – wie für alle Kavalleristen der Umgebung.
Als kleines Mädchen im Primarschulalter brachten wir Kinder die Verpflegungsgutscheine, die wir am Küchentisch auf Anweisung von Papa in Briefumschläge gesteckt hatten, zu den Helfern des Turniers nach Hause. Zu den frühesten Aufgaben der Kavalleristen-Kinder gehörte auch das Festmachen von Emballagestoffbahnen an den Absperrzäunen des Turniergeländes. So konnte man von aussen das Turniergeschehen nicht verfolgen. Als ich älter wurde, half ich dann an den Wochenenden vor und während des Turniers im Sekretariat mit.
Wie muss man sich das Turnier von damals vorstellen?
Das Turnier lockte schon früh Reiter aus dem Ausland an. Zunächst aus den Nachbarländern und bald auch darüber hinaus. Zabi Widmer pflegte gute Kontakte zu den Reitern, sodass diese auf Einladung auch gerne nach St. Gallen – damals noch CSI – kamen. Manchmal erhielten sie dafür schon im Voraus ein Handgeld, denn mit den grossen Namen meldeten sich weitere Reiter an. Das war im Grunde schon Marketing. Die erste Bandenwerbung gab es Ende der 1960er Jahre.
Man war immer bemüht, dem Publikum auch etwas anderes als Pferdesport zu bieten. Es gab Modeschauen, unter anderem von Emanuel Ungaro oder Akris, oder ein «Stechen» zwischen Pferd und Motorrad –mit Monica Weier-Bachmann und dem Schweizer Motorradrennfahrer Bruno Kneubühler. Das war ein richtiges Spektakel und lockte zusätzliches Publikum auf den Platz!
Und wie waren die Pferde damals untergebracht?
Stallungen auf dem Turniergelände gab es zunächst nicht. Die Pferde waren in den umliegenden Ställen untergebracht. Die ersten mobilen Boxen gab es 1978. Die wurden speziell für unser Turnier gebaut in Zusammenarbeit mit der Kistenfabrik Aadorf.
Ist Dir eine Ausgabe der Pferdesporttage besonders in Erinnerung geblieben und weshalb?
Ja – das ist das Jahr 1978 als erstmals der Nationenpreis der Schweiz in St. Gallen ausgetragen wurde. In jenem Jahr konnte Luzern den Nationenpreis der Schweiz nicht durchführen, weil die Allmend nicht bereit war. Und in St. Gallen stand das Breitfeld, wo die Pferdesporttage bis dahin durchgeführt wurden, wegen des Autobahnbaus nicht zur Verfügung. Das Gründenmoos, unser heutiges Stadion, war noch im Bau.
Es wurde hin und her überlegt, wie man die Pferdesporttage und den Nationenpreis trotzdem durchführen konnte. Zabi Widmer, der Präsident der Pferdesporttage, war gut vernetzt und sein Vizepräsident war gleichzeitig der Präsident des FC St. Gallen. Da der Fussballclub Sommerpause hatte, kam die Idee auf, das Turnier auf dem Espenmoos auszutragen. Die Stallungen wurden mit den erwähnten mobilen Boxen in einer der Olmahallen untergebracht.
Es blieben etwa drei Monate Zeit, um das Turnier aus dem Boden zu stampfen. Damals habe ich während der ganzen drei Monate im Sekretariat mitgearbeitet. Das war eine intensive Zeit, und am Ende wurde es ein tolles Turnier mit einem grossartigen Nationenpreis.
Und dann kam das Gründenmoos…
Ja, genau. Die Stadt St. Gallen machte den Unterbau der Tribüne mit den Garderoben und der Einstellhalle. Das war übrigens der erste Hangar der Rettungsflugwacht REGA in St. Gallen. Heute ist dort das Hindernislager und ein Teil wird von der Stadtgärtnerei genutzt. Die Genossenschaft Pferdesporttage baute das Dach und die Tribüne.
Dass das Gründenmoos in einen Hügelzug gebaut ist, machte man sich zunutze und baute feste Hindernisse für das Jagdspringen ins Gelände: Es gab Wallaufsprünge im Hang, Gräben und ein Pulvermanns Grab. Paul Weier war beratend involviert in die Gestaltung der Geländesprünge.
1981 war dann alles bereit. Zu jener Zeit ritt ich die Pferde von Zabi Widmer, die ganz in der Nähe des Gründenmoos eingestallt waren. So kam es, dass Zabi mich bat, mit seinem Pferd den Rasen im neuen Stadion zu testen. Ich war die Allererste, die über den Rasen im neuen Stadion Gründenmoos galoppierte! Das war reiner Zufall und doch irgendwie verrückt, wenn ich zurückdenke.
Was ist dieses Jahr Deine Aufgabe am Longines CSIO St. Gallen?
Seit einigen Jahren bin ich für die Führungen zuständig. Das können Führungen zur Geschichte des Turniers oder Parcoursführungen sein, aber auch ein Blick hinter die Kulissen des CSIO oder auf das Geschehen auf dem Abreitplatz. Da kommt mir nicht nur meine lebenslange Erfahrung als Reiterin, sondern auch mein beruflicher Hintergrund als Oberstufenlehrerin und meine Ausbildung als Vereinstrainerin und Parcoursbauerin zugute. Man muss sich schon sehr gut auskennen, um auch auf kritische Fragen offen, ehrlich und kompetent antworten zu können.
Viele Besucher dieser Führungen sind überrascht, wie vielschichtig ein solches Turnier ist, wie viel Aufwand für die Pferde betrieben wird, wie komplex die Gestaltung eines Springparcours ist.
Was macht den Longines CSIO St. Gallen für Doch so besonderes, dass Du nach all den Jahren noch immer hoch motiviert dabei bist?
Der CSIO ist ein Highlight im Jahresablauf der Stadt St. Gallen. Für mich zählt zum einen, dass ich dem Pferdesport etwas zurückgeben möchte. Ich bin ein Leben lang geritten, die Pferde sind meine Leidenschaft. Ich bin der Meinung, jeder, der an Turnieren teilnimmt, sollte auch mal die Seite wechseln und sich in einem Verein, in einem OK oder als Helfer engagieren. Das ist wichtig für die gegenseitige Wertschätzung und für den Fortbestand von Turnieren.
Zum anderen ist der CSIO für mich auch eine Familienangelegenheit im weiteren Sinne. Ich freue mich jedes Jahr darauf, bekannte Gesichter wiederzusehen, die aus der ganzen Schweiz anreisen, sei es als Helfer – manche nehmen sogar Ferien dafür –, als Teilnehmer oder als Gast.
Wir schreiben jedes Jahr ein neues Kapitel der Geschichte des CSIO St. Gallen. Ich kann es kaum erwarten, dass es am 29. Mai 2025 wieder losgeht!