*Gastbeitrag der OdA Pferdeberufe*
Entspannt führt Janina Siegwart ihren dreijährigen, selbst gezogenen Wallach Quel Plaisir in die Reithalle des Stalles Moser in der Altmatt bei Rothenthurm. Der Wallach ist absolut gelassen, lässt Janina später problemlos aufsteigen. Noch kann an diesem etwas kühlen Tag im Oktober niemand wissen, dass der von Quel Homme de Hus abstammende Dunkelbraune an der Swiss Breed Classic in Aadorf das Freispringen auf Platz drei abschliessen und im Dezember am Superfinal am CHI Genf zu bewundern sein wird. Heute jedoch, an diesem Morgen, erzählt Janina Siegwart voller Freude von ihrer Leidenschaft, den Pferden. Und natürlich auch davon, wie viel Spass ihr die Pferdezucht und die anschliessende Ausbildung der Jungpferde macht. «Für mich waren die Pferde definitiv immer mehr als nur ein Hobby. Ich wollte mich in allen Bereichen rund ums Pferd immer weiterbilden und noch besser werden.»
Reiten stand lange nicht im Fokus
Die Schwyzerin wohnte als Kind mit ihrer Familie einige Jahre in der Westschweiz. In der Nähe befand sich ein Gruppenlaufstall mit einigen Ponys und Pferden, die für therapeutisches Reiten eingesetzt wurden. Selbstredend, dass die pferdebegeisterte Janina bald jede freie Minute dort verbrachte. Sie half beim Misten, beim Putzen der Pferde und später auch beim therapeutischen Reiten. «Dort entstand nicht nur die Faszination für die Pferde, sondern auch dafür, was das Pferd beim Menschen bewirken kann. Das Reiten stand für mich lange überhaupt nicht im Fokus, viel mehr nahm ich im Umgang mit den Pferden für meine persönliche Entwicklung sehr viel mit.» Zurück in ihrer Heimat in Schwyz begann sie bei ihrer Tante, die ebenfalls therapeutisches Reiten anbietet, Reitstunden zu nehmen und machte später das Brevet im Stall von Marco Moser, wo sie bis heute arbeitet und reitet. Die talentierte und fleissige Janina Siegwart begann bald, vermehrt Verantwortung im Stall zu übernehmen, half beim Bewegen der Schul- und Sportpferde und erhielt mehr und mehr die Möglichkeit, auch im Sport Fuss zu fassen. Dies war auch der Tatsache geschuldet, dass Marco Moser nach einem Unfall einige Zeit keine Turniere reiten konnte und Janina seine Pferde im Sport einsetzen durfte.
Vielseitige Schwerpunkte
Zu dem Zeitpunkt stand sie kurz vor der Matura und war sich anfänglich unsicher, welche Studienrichtung sie einschlagen wollte. Maschinenbau stand ebenso zur Debatte wie Tiermedizin. Nach bestandenem Numerus Clausus, nahm sie tatsächlich ein Tiermedizin-Studium in Angriff. «Nach zwei Jahren wurde mir aber klar, dass ich definitiv zu viel Zeit in der Bibliothek verbrachte und ich dieses Studium nicht weiterführen wollte», erklärt die Schwyzerin und entschloss sich, ein Zwischenjahr bei ihrem Onkel auf einem Grosslandwirtschaftsbetrieb zu machen und viel zu reiten. Während dieser Zeit reifte der Entschluss, ein Agronomiestudium mit Schwerpunkt Pferdewissenschaften zu absolvieren. Fortan war sie für neun Semester in Zollikofen bei Bern stationiert, schloss sowohl den Bachelor als auch den Master erfolgreich ab. «Es war ein vielseitiges Studium, das sowohl im Bereich Agronomie als auch im Bereich Pferdewissenschaften hochspannende Themen von Fütterung über Weideführung bis Psychologie und Lernverhalten der Pferde beinhaltete.»
Reiterlich weiterbilden
Nach dem erfolgreichen Abschluss des Studiums war Janina Siegwart zunächst an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (Hafl) in Zollikofen als Assistentin im Bereich Pferdewissenschaften angestellt, ehe es sie zurück in den Heimatkanton zog. «Seither bin ich beim Kanton Schwyz zuständig für Landwirtschaft, Umwelt und Gewässerschutz. Ich habe flexible Arbeitszeiten, was mir bis heute sehr entgegenkommt.» Denn Janina Siegwart wollte noch mehr. Während sie hauptberuflich beim Kanton arbeitete und noch arbeitet, «verteilte» sie die Arbeitszeit auf vier Tage, um noch den die Ausbildung zum Spezialisten der Pferdebranche klassisches Reiten anzuhängen. Denn für die heute 30-Jährige war klar: Sie wollte sich reiterlich nochmals weiterbilden, weitere Fachkenntnisse erwerben und Reitstunden und Beritt anbieten. Hierfür wollte sie aber beruflich abgesichert sein.
Weil sie bereits genügend Berufserfahrung nachweisen konnte – sie hatte während ihres gesamten Studiums Reitstunden erteilt und Pferde ausgebildet – musste sie den «Umweg» über die Pferdefachperson EFZ nicht machen. «Um den Spezialisten erfolgreich absolvieren zu können, sind Erfahrung und reiterliches Können unabdingbar», hält Janina Siegwart fest und fügt an: «Durch die Arbeit auf dem Betrieb von Marco Moser hatte ich das Glück, immer zahlreiche Pferde reiten zu dürfen und von jedem einzelnen zu lernen. Erfahrung und das Verständnis für das Pferd zahlen sich immer aus.»
Hochklassige Ausbilder
Dank ihres abgeschlossenen Studiums musste sie nicht ganz alle Module besuchen. «Wir hatten hochklassige Ausbilder, sowohl reiterlich als auch fachlich profitierte ich sehr viel. Dressurkurse absolvierten wir bei Christian Pläge, Springen bei Stefan Meierhans und Vielseitigkeit bei Patrick Rüegg. Von Tiziana Realini konnten wir im Bereich Bodenarbeit viel lernen und von Helen Jäggi beim Longieren.» Sehr viel Freude bereitet habe ihr auch das Jungpferdemodul, in welchem sie ein junges Pferd während drei Monaten ausbildete und danach den Lernfortschritt aufzeigen musste. Für Janina Siegwart, die gerne und oft unterrichtet, war ausserdem sehr lehrreich, dass sie in den Bereichen Methodik und Didaktik viel Rüstzeug mitnehmen konnte. «Reitschüler befinden sich als Kind oder Teenager in einer prägenden Lebensphase. Als Reitlehrer erfülle ich eine wichtige und verantwortungsvolle Funktion, es ist spannend, sie auf ihrem Weg zu begleiten, und die Pferde holen schliesslich alle auf den Boden zurück.»
Im Frühjahr nun schloss Janina Siegwart ihre Ausbildung mit der eidgenössischen Prüfung ab. Nebst der schriftlichen Prüfung mit Fallbeispielen aus der Pferdebranche, im Kunden- und Personalwesen oder im Bereich Gesundheit forderte auch die praktische Prüfung einiges ab: Während drei Tagen wurde ein Pferd-Reiter-Paar betreut, begleitet und weitergebracht. Schliesslich kreierte Janina Siegwart in Zusammenarbeit mit Christian Pläge im Prüfungsbereich «Dienstleistungsprojekt aufbauen» mit «WeRide» eine App mit Lehrvideos für Dressurreiter. «Noch ist sie nicht in Betrieb, ich hoffe aber, dass wir dies demnächst schaffen werden.»
Die Innerschwyzern zieht nach ihrer Ausbildung ein rundum positives Fazit: «Ich konnte sehr viel für mich selbst mitnehmen, auch andere Ansichten und Lösungsansätze. Ich bin überzeugt, dass man nie aufhören sollte zu hinterfragen.» In diesem Zusammenhang sei sie immer wieder beeindruckt, wie kooperativ Pferde sind, wenn man es nur richtig anstelle. «Deshalb ist die Arbeit mit jungen Pferden so dankbar. Es braucht Zeit, Geduld und das Wissen, die richtigen Dinge im richtigen Moment zu tun. Ich will mir dabei die nötige Zeit nehmen, die es braucht und nichts machen, was ich nicht für richtig halte. Die Liebe zu den Pferden muss immer an erster Stelle stehen.»